Von Missbrauch der Psychiatrie wird gesprochen, wenn die psychiatrische Diagnose und die (medikamentöse) Behandlung in der Psychiatrie für die Behinderung der Grundrechte bestimmter Gruppen und Individuen in einer Gesellschaft missbraucht werden.[1][2] Die Deklaration von Helsinki zu ethischen Grundsätzen für die medizinische Forschung am Menschen widerspricht derartigem Missbrauch ausdrücklich und ächtet ihn international.[3][4]
In der Sowjetunion wurde die Psychiatrie jedoch unter anderem systematisch dazu missbraucht, Andersdenkende und politische Dissidenten zu pathologisieren, auszusondern und ihrer Rechte zu berauben.[5][6] Andersdenkende, die in der Ideologie des Marxismus-Leninismus oft sowohl als eine Belastung als auch als eine Bedrohung für das System empfunden wurden, konnten so einfach diskreditiert und festgehalten werden.[7]
Im Verlauf ihrer Geschichte wurde die Sowjetunion im Ausland zunehmend dafür bekannt, politisch Andersdenkende und sonstige Dissidenten massiv und ohne Rücksicht auf deren Rechte zu unterdrücken und zu misshandeln.
In den 1960er und 1970er Jahren offenbarte sich dann, dass in der Sowjetunion sogenannte konterrevolutionäre Gedanken als psychische Störungen wahrgenommen und behandelt wurden – auch gegen den erklärten Willen der „Kranken“.
Die pawlowsche Reflexpsychologie wurde mit der Etablierung des Stalinismus als einzige „politisch korrekte“ Unterart der Psychologie etabliert. Die vorher von Leo Trotzki befürwortete Psychoanalyse geriet auch mit seinem Ausschluss aus dem inneren Zirkel der KPdSU immer mehr in die Kritik.[8]